Haushaltsrede GR Heidenheim

Stellungnahme zum Haushaltsplan 2023

es gilt das gesprochene Wort

Sehr geehrter Herr OB Salomo,
sehr geehrter Herr Ochs,
sehr geehrte Frau BM Maiwald,
sehr geehrte Mitarbeiterinnen der Verwaltung,
liebe Kolleginnen des Gemeinderats,
meine Damen, meine Herren,

Und jährlich grüßt das Murmeltier – Sie kennen diesen wunderbaren Film mit ähnlichem Namen.

Seit drei Jahren bin ich Sprecherin für die Fraktion der Bündnis 90/Die Grünen und seit drei Jahren stimmt uns der von der Verwaltung vorgeschlagene Haushalt wenig euphorisch.

Da bildet der aktuelle Haushalt keine Ausnahme: Krisenmodus, die Hände sind uns gebunden, kein Handlungsspielraum für die Verwaltung, geschweige denn für die Fraktionen, um die Belange der Stadt in ihre jeweiligen Richtungen zu entwickeln.
»Krise« definiert sich laut »Duden« mit: Schwierige Lage, Situation, Zeit, die den Höhe- und Wendepunkt einer gefährlichen Entwicklung darstellt. – ein Wendepunkt?

Nein. Die aktuellen Krisen sind gekommen, um erst Mal zu bleiben.
Unsere Haushaltszahlen zeigen wiederholt:

Wir leben schon geraume Zeit über unsere Verhältnisse. Wir wirtschaften nicht für das langfristig Richtige und haben oftmals nachhaltige Strategien aus den Augen verloren.

Als Rechtfertigung werden gerne die Coronakrise, aktuell die Inflation und der durch nichts zu entschuldigende völkerrechtswidrige Angriffskrieg auf die Ukraine genannt. Aber ist diese Argumentation redlich, ehrlich und selbstkritisch?

Die Entwicklung unserer Haushaltslage resultiert vor allem aber auch aus Fehlleistungen vergangener Dekaden: Teure, abschreibungsintensive Prestigebauten und hohe, unrentierliche Anschubinvestitionen sowie der Mangel an nachhaltiger Planung spielen eine ausschlaggebende Rolle.

Mahnende Worte und Vorschläge unserer Fraktion zum Thema Energiesparen oder Investitionen in Erneuerbare Energien, Anträge für klimaneutrales Bauen wurden in der Vergangenheit belächelt. Nun wird uns die Rechnung präsentiert.

Stichworte aus ihrer beider Reden, Herr Salomo und Herr Ochs, sind – Steigerung der Ertragsseite und Ausgabenkritik:

Eine einfache Ertragssteigerung bietet nach wie vor die bereits mehrfach diskutierte Erhöhung der Grundsteuer. Dazu konnte sich der Gemeinderat im vergangenen Jahr nicht durchringen. Diese Chance haben wir verpasst. Und in diesem Jahr wollen sie es den Mitbürgerinnen nicht zumuten. In der aktuellen Situation ein nachvollziehbares Argument.

Dennoch ist die Aussetzung der Erhöhung erneut eine verpasste Chance. Denn die Belastung wäre überschaubar und zumutbar. In Art. 14 Abs. 2 Grundgesetz steht: „Eigentum verpflichtet. Sein Gebrauch soll zugleich dem Wohle der Allgemeinheit dienen.« Dieser Artikel hätte konkret Anwendung finden können. Wir sind uns sicher, die Mehrzahl der Heidenheimerinnen hätten sich gerne solidarisch eingebracht.

Sehr geehrter Herr OB Salomo, in Ihrer Rede verweisen sie auf die Notwendigkeit, zusätzliche Wohn-, Gewerbe- und Industrieflächen auszuweisen, um dauerhaft höhere Einnahmen für die Stadt zu generieren. Auch wir sehen dies als Instrument zur Ertragssteigerung. Jedoch müssen all diese Flächen intelligent, synergetisch, zukunftsorientiert und vor allem konfliktarm entwickelt werden. Gewerbeflächen auf der grünen Wiese, in bereits stark belasteten Tälern oder auf landwirtschaftlich genutzten Flächen erfüllen diese Kriterien nicht. Bei den Entwicklungen von Gewerbegebieten werden wir sie kritisch-konstruktiv begleiten.

Stichwort Ausgabenkritik, welche Sie für das kommende Jahr angekündigt haben. Das werden mit Sicherheit schwierige Diskussionen. Jede noch so geringe Zuweisung an Vereine unserer Stadt, ist ein richtiger und wichtiger Beitrag. Denn Vereine sind Juwelen, die Mosaiksteinchen unserer vielfältigen und reichen Stadtgemeinschaft. Hier werden wir Sie sehr kritisch begleiten und ein kraftvoller Fürsprecher für sozial-ökologische Projekte sein.

Eine weitere Krise, und zwar die wohl größte Krise in der Menschheitsgeschichte – die Klimakrise, ist in Ihrer Rede mit nur einem einzigen Satz bedacht. Ein zwar richtiger und wichtiger Satz – allerdings fehlen uns konkrete Aktionen und Vorschläge diese Krise anzugehen.

Für aktiven Klimaschutz reicht es nicht, dass regionsferne Investoren, landwirtschaftlich genutzte Flächen mit PV-Freianlagen bestücken. Diese Vorgänge müssen klug und weitsichtig angegangen werden. Es muss ganzheitlich und nachhaltig an den Flächenkonflikt- Landwirtschaft-und-Energie herangegangen werden. Vor allem müssen die Bürgerinnen mitgenommen werden. Eine Energiewende, jegliche Wenden, können nur MIT den Bürgerinnen gelingen und nicht gegen sie. Mit der Klimakrise einhergehend ist es die Klimaanpassung, die zu einer wichtigen kommunalen Herausforderung der näheren Zukunft wird. Auch hier genügt es nicht, nur die Innenstadt zu begrünen (was natürlich eine wunderbare Idee ist) – auch hier müssen wir gute Ideen entwickeln, um unsere Stadt klimaresilient zu machen.

Sehr positiv ist uns aufgefallen, Herr OB Salomo, dass Sie den Sozialen Wohnungsbau vorantreiben. Hier dürfen Sie mit unserer vollen Unterstützung rechnen.

Etwas mehr als ein Jahr ist es, dass Sie Herr OB Salomo die Geschicke unserer Stadt leiten. Eine sehr kurze Zeit. Eine sehr kurze Zeit, um neue Strukturen zu schaffen, eine sehr kurze Zeit und „alles besser“ zu machen- das ist nicht leicht.

Denn es sind nicht nur die enormen Herausforderungen vor welchen Sie, wir alle stehen, sondern Sie müssen nicht selten noch gegen viele Fronten, eingefahrene Strukturen kämpfen. Wir möchten Sie hier ermutigen- gehen Sie weiter Ihren Weg. Wir werden Sie dabei konstruktiv unterstützen. Und ich möchte alle dazu ermutigen, es ähnlich zu tun – zum Wohle unserer Stadt.

Wir freuen uns, dass unsere Mahnungen und unser Einsatz für die energetische Sanierung des Waldbades Gehör gefunden haben oder besser gesagt- einen Fördertopf. Gut, dass sich da endlich etwas bewegt und natürlich fiebern wir mit ihnen einem positiven Bescheid entgegen. Ebenso freut es uns, dass der Radweg nach Großkuchen Realität wird.

Wir haben entsprechend der Haushaltslage folgende Anträge formuliert:

  • Radwegekonzept ausarbeiten, ein Generalplan für den Radverkehr, in dem gemeinsam mit einem neu eingesetzten Fahrradbeirat – bestehend aus Rad-Expertinnen und Vertreterinnen aus den Fraktionen – Standards gesetzt werden.
  • Parkraumkonzept für die ganze Stadt. In diesem Rahmen soll auch das Anliegerparken überprüft werden. Wir machen uns stark für ein solidarisches Modell, bei dem jede Autofahrerin im gesamten Stadtgebiet einen Anliegerparkausweis erwerben muss. Vorschlag: 30 Euro/Jahr, was der aktuellen Gebühr in der Innenstadt entspricht. Denn – Parkraum ist von Autos eingenommener Gemeinwohlraum und das gilt für die ganze Stadt.
  • Das Szenario 1 des VEP umsetzen, und zwar sofort und komplett.
  • Unmittelbare Prüfung und Freigabe der im VEP vorgeschlagenen Radvorrangrouten sowie unserer bereits geforderten Fahrradstraßen.
  • Radservice- und Ladestationen für Radfahrerinnen
  • Ampeln für Fußgängerinnen länger schalten
  • Nehmen wir unsere Arbeitgeber auch in Bezug auf den VEP mehr in die Pflicht. Hier braucht es eine erhöhte Intermodalität. Ähnliches gilt für unsere Schulträger, es gilt das Mobilitätsverhalten von morgen zu prägen und auszuschöpfen.
  • Tempo 30 in der Innenstadt und Tempo 40 in allen Wohngebieten aktiv vorantreiben und umsetzen.
  • Hansegispass aus dem FNP entfernen
  • Wie bereits in 2022 gefordert: ein Modell einer Heidenheimer Öko-Bauleitplanung, nämlich klimaneutral oder sogar klimapositiv. Ich höre jetzt noch das Grummeln und die belächelnden Kommentare als wir bei jedem Bebauungsplan im letzten Jahr die geplanten Gasheizungen hinterfragt haben. Die aktuelle Lage gibt uns nachträglich recht. Die in diesem Planungskatalog geschaffenen Maßnahmen sollen in alle neu angestoßenen Bebauungspläne sowie Sanierungsgebiete einfließen und somit Heidenheimer Klimaschutz Mindeststandards vorgeben. Somit wissen zukünftige Investorinnen ganz genau, was unsere Stadt von Ihnen erwartet, passend zu unseren Klimazielen.
  • Zuschuss für klimagerechte Renovierungen oder auch nur Altbausanierungen, auch wenn es nur ein Dankesschreiben oder Eintrittskarten für die OH! ist.
  • Überprüfung des Caterings bei schulischen Mensaessen: Welche Preisunterschiede bestehen zwischen vegetarischen und fleischhaltigen Gerichten? Gibt es hier Einsparpotentiale?
  • Erneuerung des Interkommunalen Klimakonzeptes, inklusive vorgegebener Umsetzungszeiträume, eventuell in Form einer Abschluss- oder Doktorarbeit.

Es gibt noch zahlreiche Ideen, die „den Kitt unserer Gesellschaft“, unsere Stadtgesellschaft stärken können, jedoch bleiben uns die Hände, wie Anfangs beschrieben, gebunden.

Daher werden wir Ihre Planungen wie immer streitbar, ehrlich und enkeltauglich unter die Lupe nehmen.
Denn Optimismus und Hoffnung sind alleine nicht hilfreich.
Das Handeln und die Konsequenzen sind entscheidend.

Unsere Dankesworte richten wir dieses Mal in erster Linie an die gesamte Stadtgesellschaft.

Dabei geht unser Dank in besonderen Maßen an alle diejenigen, die sich nicht nur aus beruflichen Gründen für geflüchtete und vertriebene Menschen einsetzen, sondern dies freiwillig und aus Nächstenliebe tun. Hier ein einfaches, grundehrliches Dankeschön.

*Der Einfachheit halber wurde in meiner gesamten Rede die weibliche Form verwendet; die männliche Form ist selbstverständlich eingeschlossen.

Vielen Dank.

Hinweis: Aus Zeitgründen werden nur die fett gedruckten Anträge am 10.11.2022 in der Gemeinderatssitzung vorgetragen. Alle Anträge gelten als gestellt.

Anamari Filipovic
Fraktionsvorsitzende BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
Gemeinderat Heidenheim