Stellungnahme Schließung Geriatrische Reha

Aus Sicht meiner Fraktion ist die Schließung der Reha Giengen auf Grund der Rahmenbedingungen der einzige Weg, der die Gesundheitsversorgung der gesamten Kreisbevölkerung und insbesondere der älteren Menschen mittel- und langfristig sichert und zwar aus folgenden Gründen:

Die geriatrische Reha in Giengen kann, im Gegensatz zu größeren Anbietern in der Nachbarschaft, aus räumlichen und personellen Gründen nicht das gesamte Spektrum an therapeutischen Leistungen anbieten, das zu diesem Bereich gehört. Dieses Ziel werden wir als Landkreis auch mit großen Investitionen aus eigener Kraft nicht erreichen können. Heißt: Eine optimale Versorgung nach dem modernen Stand der Medizin ist in Giengen nicht möglich. Aber sehr wohl in der unmittelbaren Nachbarschaft.
Damit ist der Zugang zu einer geriatrischen Rehabilitation, die ohnehin nur 20% der Belegung in Giengen ausmacht, trotz einer Schließung in vollem Umfang gewährleistet.
Und dies für den Teil der Betroffenen, die nicht unmittelbar in Giengen wohnen in einer Entfernung, die nicht signifikant größer ist, als der Weg nach Giengen! Ein weiter Weg ist eine Belastung, aber es sind nur sehr Wenige über wenige Wochen betroffen.
Zur Klarstellung: Die Patienten der Reha Giengen sind gut versorgt. Dafür steht das qualifizierte und engagierte Personal, das dafür sorgt, im Rahmen des Möglichen. Dafür danken wir allen Beschäftigten ausdrücklich und deswegen bitten wir Sie, dem Klinikum als Ihrem bisherigen Arbeitgeber treu zu bleiben. Das ist auch der Grund für die Kurzfristigkeit. Wir befürchten, dass Sie uns bei längeren Fristen abwandern, denn:

Weder die geriatrische Reha in Giengen noch das Klinikum in Heidenheim können alle Betten belegen, weil Personal fehlt. Es müssen PatientInnen abgewiesen werden. Das heißt konkret: Mit einem Weiterbetrieb oder gar einem Ausbau der Reha würden wir den ohnehin nicht all zu starken Ast, auf dem wir mit dem Klinikum sitzen, auch noch ansägen, weil das Personal, egal ob medizinisch, therapeutisch oder pflegerisch für den vollständigen Betrieb beider Einrichtungen schlicht nicht ausreicht.

Wir müssen uns entscheiden, was für die Daseinsfürsorge der Menschen im Kreis Heidenheim wichtiger ist: Krankheitsversorgung oder Reha. Die Antwort ist einfach: Stationäre Krankheitsversorgung ist für die Daseinsvorsorge essenziell, eine Reha, welcher Art auch immer, ist es nicht. Deswegen muss man auch lange suchen, um einen Landkreis zu finden, der Träger einer Reha ist. Schlimmer noch, das ist die bittere Realität: man muss auch immer länger suchen, um einen Landkreis zu finden, der alleiniger Träger eines Klinikums ist. Immer mehr Kommunen geben die Trägerschaft ganz oder teilweise ab, weil die Rahmenbedingungen die Träger überfordern. Auch uns belastet die Trägerschaft heftig; von Jahr zu Jahr wird das Defizit größer. Kämmerer Eisele hat das gerade eben aufgezeigt. Trotzdem wollen wir an der Trägerschaft festhalten, weil für uns im Gegensatz zu einem privaten Träger das Gemeinwohl der Bürgerinnen und Bürger an erster Stelle steht. Das können wir aber nur, wenn wir uns jetzt auf diese zentrale Aufgabe konzentrieren und nicht eine Einrichtung weiterbetreiben, die wir
a) nicht mehr angemessen ausstatten können, die damit
b) nicht mehr konkurrenzfähig ist und,
c) ein dauerhaftes und steigendes Defizit verursacht, das uns überlastet.
In solchen Fällen gilt das Subsidiaritätsprinzip: Aufgaben sollen von Ebenen übernommen werden, die diese gleich gut oder besser lösen können. Das ist bei der Geriatrischen Reha der Fall.

Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen:

Wir haben das Thema Umgang mit der Reha Giengen viele Jahre vor uns hergeschoben. Endlich haben Landrat und Klinikleitung den Mut aufgebracht, hier eine Entscheidung anzugehen, wenn auch unter dem zunehmenden Druck der Verhältnisse. Dafür gebührt Ihnen Anerkennung.
In den zuständigen Gremien haben wir viel Zeit, Mühe und auch Geld dafür aufgewendet, eine gut begründete Entscheidung zu treffen, weil uns deren Tragweite bewusst ist. Die Auseinandersetzung mit den Fakten und die Diskussion über deren Wertung waren bisher stets von großer Sachlichkeit geprägt; nicht zuletzt deshalb und weil die Situation an Eindeutigkeit nicht zu überbieten ist, fielen die bisherigen Beschlüsse in großer Einmütigkeit. Dafür bedanke ich mich auch im Namen meiner Fraktion ausdrücklich. Gerade bei so heiklen Entscheidungen ist das ein Wert an sich.

Denn, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, mit Widerstand bei der Schließung einer so etablierten Einrichtung ist zu rechnen. Den Ressentiments können wir, gerade weil wir sehr gewissenhaft vorgegangen sind, leicht begegnen und daher auch den mit den erwartbaren üblichen Plattitüden gelassen umgehen.

Diese Gelassenheit geht mir aber dann ab, wenn aus dem Gremium von einem im Rahmen des rechtlich Möglichen bestens eingebundenen Kollegen geradezu ungeheuerliche Aussagen öffentlich postuliert werden wie, ich zitiere wörtlich „Man kann das Bestehen einer solchen Einrichtung nicht nur betriebswirtschaftlich betrachten.“ Und „Die Situation für geriatrische Patienten werde sich bei einem Wegfall der Reha Giengen deutlich verschlechtern.“ Ich wage zu bezweifeln, dass Sie, OB Henle dies glauben, denn dann hätten Sie in den bisherigen Diskussionen diese Zweifel geäußert. Ich höre Ihre Argumentation heute zum ersten Mal.

Solche Aussagen dürfen nicht unwidersprochen bleiben. Aus mehreren Gründen:

Sie unterstellen sämtlichen bisherigen Beteiligten Verantwortungslosigkeit. Diese absurden Äußerungenn stammen von einem OB, der sich engagiert und erfolgreich für seine Stadt einsetzt. Die Gefahr ist groß, dass sie gerade deshalb bei weiten Teilen der Bevölkerung verfangen, die schieren Populismus an sich sehr gut einordnen können.
Sie unterstellen mit diesen Aussagen zudem allen haupt- und ehrenamtlichen EntscheidungsträgerInnen, dass wir eine rein betriebswirtschaftliche Perspektive eingenommen hätten und, schlimmer noch, damit unseren z.T. mehrfach geleisteten Eid ignorierten indem wir eine Verschlechterung der Situation für geriatrische PatientInnen in Kauf nehmen würden.

Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, das ist blanker Unsinn, das weiß OB Henle ganz genau. Trotzdem greift er beim verständlichen Kampf um den Erhalt einer Einrichtung in seiner Stadt zu Mitteln, die den Boden des demokratischen Diskurses verlassen. Ich antworte mit einem weiteren Zitat „Aus meiner Sicht ist das nicht akzeptabel.“

Diese Äußerungen sind nicht nur deswegen so verheerend, weil sie jeglicher Grundlage entbehren und allen Beteiligten, die sich für eine Schließung der Reha Giengen entscheiden werden, die Orientierung auf das Wohl der Bürgerinnen und Bürger absprechen.
Sie untergraben zudem das Vertrauen BürgerInnen in die im Ehrenamt Tätigen aus der eigenen Nachbarschaft und macht uns KommunalpolitikerInnen die Arbeit, die angesichts der vielen Krisen und Herausforderung ohnehin nicht leicht ist, noch schwerer.

Und: dieser Populismus aus den eigenen Reihen geht an die Substanz; es zerstört, bei mir zumindest, das Vertrauen, das für eine fruchtbare Auseinandersetzung und tragfähige Entscheidungen notwendig ist. Auch wenn es manchmal emotional wird und Polemik bisweilen nicht ausbleibt, haben wir uns innerhalb der demokratischen Kräfte in diesem Kreistag nie die Orientierung am Wohl der Bürgerinnen und Bürger abgesprochen. Diese rote Linie hat OB Henle überschritten.
Dies zudem in einer Zeit, in der es so schwer ist wie nie, KandidatInnen für die kommende Kommunalwahl zu gewinnen.
Wenn sogar von Amtsträgern, angesehenen Repräsentanten der demokratischen Institutionen, Vertrauen so leichtfertig zerstört und Politikverdrossenheit so fahrlässig geschürt wird, wer will sich da noch dieser Verantwortung im politischen Ehrenamt stellen? Antwort: Überwiegend die falschen.

Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen,
ich habe in meiner politischen Laufbahn manchen persönlichen Angriff erfahren und etliche Versuche, unsere Institutionen zu untergraben und unsere Demokratie zu beschädigen erlebt. Ich musste aus nächster Nähe den rapiden Zerfall einer Demokratie beobachten.
Auch auf Kreisebene hat es bereits erste Kooperationen mit antidemokratischen Kräften gegeben. Sie wurden zum Glück nicht breit getragen und konnten daher eingedämmt werden.
Trotzdem oder gerade deswegen bin ich alarmiert, wenn das Vertrauen in das Fundament unserer Demokratie, die Kommunalpolitik, die Politik vor Ort, so leichtfertig in Frage gestellt wird. Wehret den Anfängen!
Ich hoffe, dass es bei diesem einen populistischen Ausfall bleibt. Denn: Es ist leicht, Vertrauen zu zerstören, aber unendlich schwer, es wieder aufzubauen. Der Kreistag Heidenheim hat noch viele z.T. schwierige Entscheidungen vor sich, für die eine vertrauensvolle Zusammenarbeit unverzichtbar ist. Wir sollten alles daran setzen, diese Basis zu erhalten.

Margit Stumpp, Fraktion Grüne und Unabhängige im Kreistag