Die Europäische Union und China – Wieviel Partnerschaft, wieviel Rivalität?

Die Europäische Union und China – Wieviel Partnerschaft, wieviel Rivalität?“ war der Titel einer Abendveranstaltung in Herbrechtingen. Das Publikum im Saal hing an den Lippen von Reinhard Bütikofer, dem Europaparlamentarier und grünen Urgestein aus Baden-Württemberg. Am Ende ging es, aus aktuellem Anlass, auch noch um die Spionageaffäre rund um den AfD-Politiker Krah.

Reinhard Bütikofer ist seit 2009 Mitglied im Europaparlament, er ist Mitglied der Ausschüsse für Auswärtige Angelegenheiten und Internationalen Handel sowie Vorsitzender der Delegation für die Beziehungen zur Volksrepublik China.

Seit fünf Jahrzehnten beschäftigt sich Bütikofer mit China. Er sagt, dass der von Europa oft gebrauchte Dreiklang von „Partnerschaft, Wettbewerb und systemischer Rivalität“ ein Spiegel der schwierigen Beziehungen ist. Das Verhältnis zwischen der EU und China fasst er mit den Worten zusammen: „Wir suchen Partnerschaft, wir versuchen Wettbewerb nach Regeln, wir sehen die systemische Rivalität.“

Blick zurück

 Als die Volksrepublik China 2001 in die Welthandelsorganisation WTO aufgenommen wurde, hofften viele, allen voran der damalige US-Präsident Bill Clinton, China würde sich durch intensiven Austausch und Handel mit dem Westen selbst zu einem liberalen Rechtsstaat entwickeln. Heute wissen wir, den so genannten „Wandel durch Handel“ hat es nicht gegeben. Politisch hat das Land seit Xi Jinping 2012 die Macht übernahm, eine Rolle rückwärts hingelegt. China ist heute ein totalitärer Staat, der keine Opposition duldet.

Reinhard Bütikofer erinnert daran, dass wir zu Beginn des Jahrtausends High-Tech (Maschinen) und Luxusgüter (Pkw) nach China exportierten. Also Waren für deren Herstellung China das Know-how fehlte. Umgekehrt importierten wir billige Massenware, die bei uns niemand mehr produzieren wollte. „Wir waren der stärkere Partner!“, bringt es Bütikofer auf den Punkt. Inzwischen hat China aufgeholt, das Abhängigkeitsverhältnis hat sich vielfach sogar umgekehrt. Seltene Erden wie auch Grundstoffe für Medikamente importieren wir zum großen Teil aus China.

Blick auf die internationale Bühne

Der Europapolitiker Bütikofer beobachtet, dass die Volksrepublik auch nach außen zunehmend aggressiver auftritt. Xi Jinping lässt seine Muskeln im Südpazifik spielen und liefert Komponenten für die Rüstungsindustrie an Putin. Es sind Einzelteile, keine kompletten Waffen, aber Russland ist dadurch von China abhängig geworden. China profitiert also politisch vom Krieg in der Ukraine.

Blick nach vorn

Reinhard Bütikofer ist Realist. Die Beziehungen zu China einfach zu kappen ist weder möglich, noch sinnvoll. Er fordert aber, dass Europa und Deutschland im Umgang mit China planvoll und strategisch vorgehen. De-Risking, also Risikominimierung ist das Stichwort. Dinge, die wir dringend brauchen wie zum Beispiel Grundstoffe für Medikamente oder Rohstoffe für Halbleiter, müssen wir aus verschiedenen Quellen und Lieferländern beziehen. „Wenn heute 75% der Vitaminproduktion in chinesischer Hand sind, müssen die 25%, die noch in Europa produziert werden, erhalten bleiben.“ Wir müssen darauf achten, sagt Bütikofer, dass wir unsere Handlungsspielräume erhalten und weltweit mit Ländern zusammenarbeiten, die ähnliche Interessen haben wie wir!

Diskussion und Fragen

„Warum hat Reinhard Bütikofer schon 2021 den Verdacht geäußert, dass im Umfeld des AfD-Politikers Krah ein chinesischer Spion arbeitet“, ist eine Frage. „Weil in vielen Reden von Krah im Europaparlament offensichtlich wurde, dass er Chinas Interessen vertritt. Ich konnte es damals aber nicht beweisen und musste mich entschuldigen“, antwortet Bütikofer. „Haben die liberalen Demokratien eine Chance zu bestehen?“, lautet eine weitere Frage. „Eindeutig ja. Die demokratische Vielfalt ist eine Stärke, wenn wir uns nicht über Lappalien streiten“, sagt Reinhard Bütikofer.